Die Latte lag hoch, vielleicht einen Hauch zu hoch. Zwei Monate nach dem umjubelten Platz acht bei der EM hatten Österreichs Handballer in der Olympia-Qualifikation die nächste historische Chance im Visier, verpassten diese aber knapp.
Die Hoffnungen waren berechtigt, die Enttäuschung dementsprechend groß. "Es tut weh", sagte Teamchef Ales Pajovic, blickte aber zugleich optimistisch nach vorne. "Wenn ich diese Mannschaft sehe, habe ich keine Sorgen um die Zukunft."
ÖHB-Team einig: "Es hat wenig gefehlt, dass dieses Spiel kippt"
Es war nicht zuletzt eine Nervenschlacht, die Österreich Qualiturniergastgeber Deutschland am Sonntag zum Abschluss lieferte. Bis in die letzten Minuten hielt sich Rot-Weiß-Rot dabei die Möglichkeiten auf den nötigen Sieg offen, scheiterte dann aber nicht zuletzt an sich selbst. Die Selbstverständlichkeit, der Flow, der die Mannschaft bei der EM noch getragen hatte, wollte sich in Hannover nicht ganz einstellen.
"Es hat wenig gefehlt, dass dieses Spiel kippt, dass wir auf Minus-1 herankommen", beschrieb Rückraummann Lukas Hutecek die Lage in den Schlussminuten. Denn obwohl man ab dem 2:3 stets einem Rückstand hinterhergelaufen war, konnte sich die DHB-Sieben nie entscheidend absetzen.
Auch beim EM-Vierten, dessen Trainer Alfred Gislason im Falle des Scheiterns den Job los gewesen wäre, waren Druck und Nervosität spürbar.
"So wenig hat gefehlt", weinte Pajovic der Gelegenheit, als erste heimische Männermannschaft seit 1952 bei Olympia dabei zu sein, nach.
"Eigene Fehler" und defensive Instabilität kosten Österreich Olympia-Ticket
Kapitän Mykola Bilyk, schon bei der 29:35-Auftaktniederlage und beim 41:26-Kantersieg über Algerien in Topform, war um Fassung bemüht. "Wir haben uns leider immer wieder mit eigenen Fehlern selbst bestraft und waren in gewissen Situationen nicht konsequent genug", gab der Kiel-Legionär zu Protokoll.
Nicht zuletzt die Defensive, im Verbund mit der Tormannleistung bei der EM noch herausragendes Prunkstück, bekam sowohl die Kroaten als auch Deutschen nicht entscheidend unter Kontrolle. Dass man die Partie am Sonntag trotz keiner einzigen Parade bis zur 20. Minute dennoch so offen hielt, ist umso bemerkenswerter.
Dann konnte Youngster Leon Bergmann, nachnominiert für den verletzten Ralf Patrick Häusle, immer wieder Akzente setzen.
Der 19-Jährige gab in seinem dritten A-Länderspiel mit einer 37-prozentigen Fangquote ein Versprechen für die Zukunft ab, die freilich vorerst Constantin Möstl gehören dürfte. Auch wenn der 23-Jährige in Hannover nicht an seine sensationelle EM anschließen konnte.
ÖHB-Team will in Zukunft hoch hinaus
Der Blick auf die kommenden Jahre darf bei den heimischen Fans aber jedenfalls zuversichtlich ausfallen. "Es war für mich bis vor einem halben Jahr quasi undenkbar, überhaupt von Olympia zu sprechen. Deswegen macht es mich irrsinnig stolz", betonte Hutecek.
"Keine Mannschaft auf dieser Welt wird uns noch unterschätzen, bei dem, was wir in den letzten Spielen gezeigt haben", prophezeite Bilyk. Gislason gab ihm recht: "Das ist keine Überraschungsmannschaft mehr."
"Wir haben eine sehr junge Mannschaft, die sich noch weiterentwickeln kann. Wenn wir diesen Weg weitergehen, hoffe ich, dass das in vier Jahren etwas wird", meinte Bilyk in Bezug auf die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles. Die sind freilich nur süße Melodie aus weit entfernter Zukunft.
"Wir blicken bereits auf das nächste Ziel und das heißt WM 2025", betonte Pajovic. Ein Ausrutscher wäre angesichts der jüngsten Leistungen blamabel: Im Quali-Play-off im Mai ist Georgien krasser Außenseiter.
Olympia-Quali: Österreich verpasst Paris-Ticket knapp
Die Enttäuschung nach Abpfiff war naturgemäß groß, doch der Stolz darüber, mit der Teilnahme an der Olympia-Quali Geschichte geschrieben zu haben und über die Entwicklung des Teams überwog, Teamchef Aleš Pajovič: „Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft. Die Jungs haben Herz und Charakter gezeigt, haben ein unglaubliches Turnier gespielt und in allen drei Spielen Vollgas gegeben.“
Auch Deutschlands Teamchef Alfred Gislason sprach den Österreichern seinen Respekt aus: „Das ist keine Überraschungsmannschaft mehr.“ Und genau das stellte man auf dem Parkett auch unter Beweis. Mit einer wachsamen Deckungsarbeit ging man zunächst rasch 2:0 in Führung, ließ danach jedoch einen 4:0-Lauf der Deutschen zu.
Vor der ausverkauften Kulisse von 10.099 Fans erspielte sich der Gastgeber bis zur 8:9. Knapp zwei Minuten vor der Halbzeitpause nutzte Deutschland zwei technische Fehler Österreichs aus um auf 18:13 zu stellen. Just in jenem Moment, zeigte sich die rot-weiß-rote Deckung nochmals von seiner besten Seite, verzeichnete zwei Ballgewinne, wodurch man auf 15:18 verkürzte.
Nach Seitenwechsel packte Janko Bozovic gleich dreimal in Serie einen seiner gefürchteten Rückraum-Hammer aus. Österreich blieb damit auf Schlagdistanz. Auch ein neuerlicher Fünf-Tore-Rückstand brachte das Team nicht aus der Ruhe, auch wenn man sich im Angriff gegen gut aufgestellte deutsche Deckung schwer tat. In der 51. Minute brachte Lukas Hutecek sein Team wieder auf 25:27 und in der 55. auf 27:29 heran.
Bis kurz vor Spielende lebte die Hoffnung auf das Paris-Ticket, erst das 33:30 durch Lukas Zerbe für Deutschland brachte die endgültige Entscheidung.
Teamchef Aleš Pajovič: „Ich habe schon vor dem Spiel gesagt, dass Deutschland der Favorit ist. Wir haben gekämpft. Die erste Halbzeit war Ok, da haben uns ein wenig die Paraden gefehlt. Aber wir haben uns zurückgekämpft, hatten in der zweiten Halbzeit auch eine bessere Torhüter-Leistung. Die Chance war da, es hat aber leider nicht funktioniert. Wenn ich auf unsere Leistungen bei der EHF EURO und in der Olympia-Quali schaue, mache ich mir keine Sorgen um die Zukunft. Wir haben eine super Truppe. Wir blicken bereits auf das nächste Ziel und das heißt WM 2025.“
Lukas Hutecek: „Schade. Wir haben alles reingeworfen in das Spiel. Am Ende ist es sich wegen ein paar Kleinigkeiten nicht ausgegangen. Da brauchen wir hinten ein, zwei Paraden mehr. Dann haben wir diese und bitter ist, dann haben wir die Parade und verschenken den Ball vorne. Es waren viele Kleinigkeiten. Es hat wenig gefehlt, dass dieses Spiel kippt, wir auf minus Eins herankommen. Es tut natürlich heute sehr weh. Olympia ist etwas ganz Besonderes für jeden Sportler. Es war für mich allerdings bis vor einem halben Jahr undenkbar über Olympia zu sprechen. Deswegen macht es mich extrem stolz, dass wir darüber sprechen und wir diese Chance haben. Auch wenn wir das Ticket knapp verpasst haben, wir haben diese Möglichkeit heute gehabt. Daher bin ich zuversichtlich, dass es nochmal kommen wird. Wir haben eine sehr junge Mannschaft, die sich alle noch weiterentwickeln können und wenn wir diesen Weg weitergehen, bin ich zuversichtlich was die Zukunft betrifft.“
Olympic Games 2024
Qualifiziert:
Frankreich (Gastgeber)
Dänemark (Weltmeister)
Japan (Sieger der Asian Qualifikation)
Argentinien (Pan American-Sieger)
Schweden (3. Platz EHF EURO 2024)
Ägypten (Afrikameister)
Qualifikations-Turniere (Top 2 qualifizieren sich für die Olympischen Spiele 2024):
Gruppe 1: Spanien, Slowenien, Bahrain, Brasilien
Gruppe 2: Deutschland, Kroatien, Algerien, Österreich
Gruppe 3: Norwegen, Ungarn, Portugal, Tunesien
Spielplan Gruppe 2
Donnerstag, 14. März 2024
17:45 Uhr: Deutschland vs. Algerien 41:29 (16:13)
20:15 Uhr: Kroatien vs. Österreich 35:29 (16:16)
Match Report
Samstag, 16. März 2024
14:30 Uhr: Deutschland vs. Kroatien 30:33 (10:16)
17:30 Uhr: Algerien vs. Österreich 26:41 (13:20)
Match Report
Sonntag, 17. März 2024
14:10 Uhr: Österreich vs. Deutschland 31:34 (15:18)
Österreich: Janko Bozovic (7), Sebastian Frimmel (5), Mykola Bilyk (5), Tobias Wagner (5), Lukas Hutecek (5), Robert Weber (3), Boris Zivkovic (1), Markus Mahr, Lukas Herburger, Lukas Schweighofer, Moritz Mittendorfer, Eric Damböck, Jakob Nigg, Michael Miskovez, Constantin Möstl (17% gehaltene Bälle – 4/24), Leon Bergmann (37% gehaltene Bälle – 7/19)
Match Report
16:45 Uhr: Kroatien vs. Algerien
17/03/24 17:28